Warum ich trotzdem Journalistin bin

«Warum willst du bloss Journalistin werden? Also ich könnte das nicht. Es ist super stressig, man verdient schlecht, erhält in der Gesellschaft kaum Anerkennung und hat sowieso keine Karrierechancen.» Das Urteil meines Umfeldes ist vernichtend. Kaum ein Beruf hat so einen schlechten Ruf, bringt so viele Vorurteile mit sich. Warum ich es mir dennoch antue? Die Freude am Schreiben, Neugierde und auch ein bisschen Ideologie. Wer schreibt, wird schliesslich auch gelesen, nicht wahr?

Die Mitgliedschaften bei Tink.ch und den «Jungen Journalisten Schweiz» haben mich vor gut eineinhalb Jahren mit engagierten, motivierten Jungjournalisten zusammengebracht. Sie haben mir gezeigt, dass es durchaus möglich ist, seinen Platz in der Medienwelt zu finden, gehört zu werden. Ein schönes Gefühl, das sich nur wenige Monate später durch eine Anstellung als freie Journalistin bei «zentralplus» bestätigt hat.

Doch der harte Journalismus, der findet draussen statt, wo ein rauherer Wind herrscht: In den grossen Newsredaktionen. Durch meine Kontakte und mein Praktikum bei persoenlich.com hat sich mein romantisches Bild des Journalismus bald gewandelt. Was zählt, sind nicht grosse Recherchen und Berufsethos, sondern vor allem Klicks, Reichweite und Schnelligkeit, so scheint es. Wer hat die Pushmeldung zuerst versendet? Wer kriegt am meisten Interaktion?

Folgende vier Erkenntnisse haben mein Verständnis der Szene geprägt:

  1. «Viel Catcontent und ein bisschen Irak». Was John Oliver in einer Sendung über Medienkritik so prägnant formuliert hat, ist leider nicht unwahr. Unterhaltung generiert nun mal mehr Klicks, und wurden die Leser erst einmal auf die Seite gelockt, interessiert sie vielleicht auch der Politik-Artikel.
  2. Medienmacher sind männlich und über 50 Jahre alt. Wer jünger ist, gilt als unerfahren, ist wahrscheinlich noch Praktikant/in.
  3. Medienhäuser verdienen ihr Geld nicht mit guten Texten, sondern mit «digitalen Innovationen». Journalismus ist lediglich ein Nebenprodukt.
  4. Wir sind alle Narzissten. Wir alle wollen uns mit «unserer» Geschichte profilieren, anerkannt werden, von der Halböffentlichkeit profitieren. Dies erklärt auch den Konkurrenzkampf, die Missgunst mancher Kollegen und Kolleginnen.

Ja, das hört sich sehr negativ an. Nein, so schlimm ist es nicht. Es ist aber alles andere als einfach, in der kleinen Schweizer Medienbranche Fuss zu fassen. Diskussionen über Qualität vs. Klicks, Altherren am Machthebel und die Verteufelung der digitalen Medien helfen da nicht.

Ich gehe nicht davon aus, dass dieser Text grosse Reflexionen auslösen wird. Dennoch sind dies alles keine Gründe, es zu lassen. Denn wer, wenn nicht wir, die nächste Generation, die mit Unerschrockenheit und einer gewissen Naivität die Medienwelt zu revolutionieren versucht, hat die nächsten 30 Jahre Zeit, den Journalismus zu gestalten?

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